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Donnerstag, 16. September 2010

Absenkung von Wohnstandards für Empfänger von SGB-II-Leistungen ?

Ähnliches war zuletzt immer wieder der Presse zu entnehmen, exemplarisch etwa der Focus-Online-Ausgabe vom 23.07.2010. Was steckt tatsächlich dahinter ? Die Bundesregierung hat nun am 23.08.2010 eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" vom 04.08.2010 beantwortet. Demnach ist es nicht vorgesehen, etwa die Angemessenheit der Wohnungsgröße eines allein lebenden Leistungsempfängers von ca. 45 qm auf ca. 25 qm abzusenken oder die Wohnungsgröße je nach der Personenzahl einer Bedarfsgemeinschaft starr festzulegen. Vielmehr sollen sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Unterkunftskostenweiterhin nach den örtlichen Besonderheiten der Wohnungsmärkte richten. Maßstab sind dabei die Verhältnisse des unteren Standards der jeweiligen Wohnungsmärkte. Ein entsprechender Referenten-Entwurf ist für diesen Herbst geplant, so dass die Regelungen am 01.01.2011 in Kraft treten könnten. Danach ist es voraussichtlich geplant, eine Satzungsermächtigung für die Kommunen einzuführen, durch die die Kommunalvertretungen die jeweiligen regional angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten bekannt machen können. Im SGB II und den ausführenden Landesgesetzen soll lediglich der gesetzliche Rahmen geschaffen werden.

Mittwoch, 15. September 2010

1, 2 oder 3 die nächste - oder warum Blödsinn durch Wiederholungen auch nicht besser wird ....

Bereits am 01.03.2010 hat sich dieses Blog ausführlich mit dem Vorschlag von Ministerin von der Leyen beschäftigt, den Begriff "Hartz IV" abschaffen zu wollen. Schon damals drängte sich auf, dass diese Idee nicht nur praktisch äußerst zweifelhaft, sondern im Übrigen auch juristischer Unsinn ist. Man hätte annehmen können, dass die Ministerin von fachkundiger Seite aus ihrem Umfeld darauf hingewiesen worden wäre. Das scheint jedoch nicht der Fall gewesen zu sein, denn wie heute einem Artikel der Welt-Online zu entnehmen ist, soll nun ein "neuer" Begriff im SGB II verankert werden. Dann stellt sich allerdings unweigerlich die Frage, wo denn der "alte" Begriff im Gesetz zu finden sein soll. "Hartz IV" wird man dort jedenfalls vergeblich suchen. Zudem darf man erhebliche Zweifel haben, ob sich der allgemeine Sprachgebrauch per Gesetz ändern läßt. Allenfalls Herr Hartz dürfte nichts dagegen haben, dass seinem Namen der negative Klang genommen werden soll ...

Bei Interesse an den tatsächlichen Hintergründen zu "Hartz IV" sei nochmals auf den hiesigen Post vom 01.03.2010 (1, 2 oder 3 - oder wie ein Kind zu seinem Namen kam) verwiesen.

Montag, 13. September 2010

Datenerhebung über "Hartz-IV"-Empfänger

Ein in der anwaltlichen Praxis des Sozialrechts immer wieder "heißes" Thema ist, welche Daten über Empfänger von Leistungen nach dem SGB II erhoben werden dürfen.
Die grundsätzliche Regelung trifft zunächst § 51 b SGB II. Konkretes findet insbesondere der Rechtsunkundige in dieser Norm jedoch nicht. Jetzt hat jedoch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) von seiner Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht. Am 13.08.2010 wurde die "Verordnung zur Erhebung der Daten nach § 51 b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch" im Bundesgesetzblatt verkündet. Aus dieser Verordnung ergibt sich nun konkret, welche Daten verarbeitet und gespeichert werden dürfen. Dies sind insbesondere personenbezogene Daten sowie Art und Dauer der gewährten Leistungen, Stellenangebote, Daten zu Eingliederungsmaßnahmen, Art und Höhe angerechneter Einkommen sowie Widerspruchs- und Klageverfahren im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die in der Verordnung abschließende Aufzählung der Daten soll regelmäßig überprüft werden. In Kraft getreten ist die Verordnung am 23.08.2010.

Sonntag, 12. September 2010

Bildungspaket für Kinder und Jugendliche

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010, das hier im Blog am 28.02.2010 kommentiert wurde, muss die Bundesregierung nun bis zum 31.12.2010 dafür sorgen, dass die Berechnung der "Hartz-IV"-Sätze transparenter wird. Im Urteil wurde insbesondere moniert, dass der Bedarf von Kindern bisher ohne Anhaltspunkte geschätzt wurde, ohne dass dem irgendwelche Ermittlungen zum speziellen Bedarf von Kindern und Jugendlichen zugrunde lagen. Zum Beispiel war der durch den Schulbesuch verursachte Bedarf völlig unberücksichtigt geblieben.


Seitdem sind viele sinnvolle und viele sinnlose Vorschläge gemacht worden, wie man dem speziellen Bedarf von Kindern gerecht werden kann.


Am 18.08.2010 hat nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein neues Bildungspaket für bedürftige Kinder und Jugendliche vorgestellt. Es beinhaltet folgende Kernpunkte:

  • Schulbasispaket: Bezuschusst werden sollen Bücher, Schreibwaren und Schultaschen. 70 Prozent sollen am Anfang des Schuljahres und 30 Prozent zum 2. Halbjahr ausgezahlt werden. Die Eltern müssen durch eine Quittung nachweisen, dass das Geld zweckgebunden verwendet wurde. Ferner sollen Kosten für eintägige Schulausflüge übernommen werden.
  • Schul- und Kita-Mittagessen: Es soll gewährleistet werden, dass auch bedürftige Kinder und Jugendliche, deren Eltern die Kosten für ein Mittagessen in der Schule oder im Kindergarten nicht aufbringen können, ein solches erhalten.
  • Lernförderung: Wenn nach Einschätzung von Lehrerinnen und Lehrern Bedarf für Lernunterstützung besteht, kann eine solche beim Jobcenter oder der zuständigen Optionskommune beantragt werden.
  • Kultur-, Sport- und Ferienangebote: Zukünftig soll eine Teilnahme bedürftiger Kinder und Jugendlicher durch die Jobcenter oder Optionskommunen unterstützt und gefördert werden.

Bei alledem soll die viel diskutierte Bildungskarte dafür sorgen, dass die Leistungen auch tatsächlich bei Kindern und Jugendlichen ankommen.

So unstreitig löblich die nun vom BMAS in Angriff genommenen und vielfarbig bebilderten Vorhaben  sind, so sollte doch nicht vergessen werden, dass diese eigentlich längst überfällig waren und auch jetzt erst auf Anmahnung des höchsten deutschen Gerichts erfolgen. 

Auch die praktische Umsetzung läßt dringliche Fragen offen. So betont die Präsentation des BMAS, durch den Einsatz der Bildungskarte komme es nicht zu Diskriminierungen, da ja alle bedürftigen Kinder und Jugendlichen eine solche Karte erhielten. Welche Lebensferne muss einer solchen Einschätzung zugrunde liegen ?! Es wäre wohl nicht nur moralisch äußerst fragwürdig, wenn nicht alle bedürftigen Kinder eine solche Karte erhielten, sondern auch ein eklatanter Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichbehandlung (aller vergleichbaren Menschen) explizit gebietet. Der Blick muss allerdings vielmehr darauf liegen, ob eine Diskriminierung dadurch entsteht, dass einige aus der Gesamtgruppe "Kinder" eine solche Karte erhalten und einige nicht. Da es wohl kaum einen deutlicheren Weg gibt, nach außen sichtbar zu machen, wer bedürftig ist und wer nicht, dürfte für jeden praktisch denkenden Menschen die Diskriminierung durch den Einsatz einer solchen Karte offen auf der Hand liegen. Dass die neuen Leistungen direkt bei den Kindern und Jugendlichen ankommen sollen, ja sogar müssen, dürfte ebenso unstreitig sein. Allerdings sollte die verwaltungsrechtliche Abwicklung nochmals dringend überdacht werden, wenn den Kindern und Jugendlichen aus den gut gemeinten und notwendigen Vorteilen nicht wesentlich größere Nachteile in Form von sozialer Stigmatisierung erwachsen sollen. 

Ferner darf man gespannt sein, welche Kultur-, Sport- und Ferienangebote unterstützt und gefördert werden. Bisher wurde in den Medien vielfach der Eindruck erweckt, durch das Bildungspaket sei eine neue Zeit angebrochen, bei dem nun alles für alle möglich wird. Ist bisher niemandem aufgefallen, dass die meisten solcher Angebote allein schon durch die entsprechende Ausrüstung enorme Kosten verursachen ? Bei der derzeitigen Kassenlage dürfen erhebliche Zweifel erlaubt sein, ob den vollmundigen Ankündigungen von Kultur- und Freizeitangeboten für alle auch entsprechende Taten folgen.
Was ist mit dem Jungen, der das Klavierspielen für sich entdeckt ? Wird er ein Klavier für mehrere tausend Euro erhalten, damit er täglich üben kann ? Ansonsten ist nämlich kein sinnvoller Musikunterricht möglich. Was ist mit dem Mädchen, dass sich für Biathlon als Sport entscheidet ? Wird hier die entsprechende (Sicherheits-)Ausrüstung mitsamt Munition über mehrere Jahre gesponsert werden ? Oder sind die vollmundigen Ankündigungen gar nicht so gemeint und eine wirklich interessenorientierte Auswahl von Freizeitmöglichkeiten gar nicht möglich ? Man wird sehen, ob sich die Auswahl schließlich auf das Singen in einem Chor und Schwimmen beschränkt ....