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Donnerstag, 30. Juni 2016

In eigener Sache

Am 30.06.2006 wurde die Sozietät "Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte" gegründet.
Wir freuen uns daher, heute unser 10-jähriges Kanzlei-Jubiläum feiern zu können. 
Es waren spannende Jahre nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht, in denen wir eine Vielzahl von interessanten Menschen kennengelernt haben.
Bei allen möchten wir uns für das uns entgegengebrachte Vertrauen bedanken, auch ungewöhnliche Wege mit uns zu gehen.
Wir freuen uns schon auf die nächsten 10 Jahre.

Ihre Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich.

Mittwoch, 15. Juni 2016

Für Ferrari auf Ibiza


Auch Dienstreisen stehen grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt aber nicht, wenn der Geschädigte sich nicht mehr aus beruflichen, sondern aus persönlichen Belangen am Schadensort aufgehalten hat.
Dies geht aus einer Pressemitteilung des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.06.2016 zu einem Urteil vom 14.04.2016 (Az. S 6 U 4321/14) hervor.

Im zugrunde liegenden Fall arbeitete der Kläger als Außendienstmitarbeiter eines Unternehmens, das Photovoltaikanlagen vertreibt. Diesem Unternehmen gewährte das Autohaus, bei dem üblicherweise die Geschäftswagen bezogen wurden, eine Kaufoption für einen "LaFerrari". Das Fahrzeug hatte laut Kläger einen stetig steigenden Marktwert von derzeit mehr als einer Million Euro, die Nachfrage übersteige die limitierte Auflage von 499 Stück um das Vielfache. Um diese Kaufoption gewinnbringend zu veräußern, traf sich der Kläger im September 2013 mit einem Zeugen zum Mittagessen auf Ibiza in einem "Beach Club", wo sie bis in die Nacht blieben. Am späten Abend einigte man sich in Grundzügen darauf, dass die Kaufoption für 100.000 € an den Zeugen veräußert werden sollte. Nach Mitternacht verließ der Kläger den Club. Als er sich wieder Zugang verschaffen wollte, geriet er mit dem Türsteher in Streit. Dieser schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, so dass der Kläger zu Boden stürzte und sich schwere Kopfverletzungen zuzog. Zunächst lag er im künstlichen Koma. Noch heute leidet er unter den Folgen des Ereignisses.
Die Berufsgenossenschaft lehnte jedoch die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Faustschlags bei keiner Tätigkeit befunden habe, die im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung stehe. Zudem bestehe durch seiner damalige Trunkenheit kein Versicherungsschutz.

Das Sozialgericht Heilbronn hat die Klage abgewiesen.
Ab der spätabendlichen grundsätzlichen Einigung habe sich der Kläger nicht mehr aus beruflichen, sondern aus persönlichen Belangen im Club aufgehalten und sei daher nicht mehr gesetzlich unfallversichert gewesen. Aber selbst wenn dies so gewesen sein sollte, so habe kein Versicherungsschutz bestanden, da er sich nicht im Lokal, sondern davor aufgehalten habe. Unerheblich sei deshalb auch, ob der Versicherungsschutz bereits aufgrund erheblicher Alkoholisierung entfallen sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Ihre Ansprechpartner in allen Belangen des Sozialrechts

Montag, 13. Juni 2016

Nachhilfekosten - Übernahme durch Jobcenter


Wenn sich in einer Einzelfallprüfung unter Einbeziehung der Schule und der Lehrkräfte herausstellt, dass auch mit erheblichem Aufwand eine Versetzung nicht erreicht werden kann, besteht kein Anspruch auf Lernförderung. Vielmehr sei bei gravierenden strukturellen Defiziten, die eine grundsätzliche Überforderung des Schülers beim Besuch einer höheren Schule zeigen, in eine geeignetere Schulform zu wechseln.
Das geht aus einer Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg hervor (Entscheidung vom 23.05.2016, Az. L 12 AS 1643/16 ER-B).

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Mutter einer Schülerin nach einem schlechten Halbjahreszeugnis im Februar 2016 (u. a. in Deutsch, Mathe, Naturwissenschaftlichem Arbeiten jeweils Note 5, Versetzung gefährdet, Schulwechsel empfohlen) beim Jobcenter mehrere Anträge auf Bildung und Teilhabe in Form von Lernförderung (Nachhilfe) gestellt, die abgelehnt wurden.
Das SG Freiburg hatte darauf hin in einem Eilverfahren das Jobcenter verpflichtet, Nachhilfe im Umfang von 6 Stunden pro Woche zu zahlen.
Nach dieser Entscheidung wurde jedoch eine ausführliche Stellungnahme der Schule vorgelegt, die davon ausgeht, dass eine Versetzung auch mit zusätzlicher Lernförderung nicht zu erwarten und ein Wechsel auf eine Werkrealschule angezeigt sei.
Das LSG hat sodann der Beschwerde des Jobcenters stattgegeben, die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Anträge auf Lernförderung in vollem Umfang abgelehnt.


Freitag, 10. Juni 2016

Beiträge SOKA-Bau


Die Verpflichtung eines Bauunternehmens, zusätzlich zu den normalen Sozialabgaben die gleiche Summe auch noch an die Sozialkasse Bau abführen zu müssen, verletzt Unternehmen der Baubranche nicht in ihren Rechten aus Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) und Art. 1 Protokoll Nr. 1 zur EMRK (Schutz des Eigentums).
Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 02.06.2016 entschieden (Az. 23646/09).

Beschwerdeführerin war ein auf Erdwärme spezialisiertes Unternehmen der Baubranche.
Nach den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe sind Arbeitgeber der Brache zur Entrichtung von Beiträgen in Höhe von 19,8 % des Bruttolohns ihrer Angestellten verpflichtet, unabhängig davon, ob sie einer der tarifschließenden Arbeitgebervereinigungen als Mitglieder angehören oder nicht.

Nach Auffassung des EGMR verstoßen deutsche Tarifverträge, die alle Arbeitgeber einer Branche zu Sozialbeiträgen verpflichten, nicht gegen das Menschenrecht auf Vereinigungsfreiheit. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu entrichten, sei im Interesse aller Mitarbeiter in der Bauindustrie und beruhe auf dem Solidaritätsprinzip. Zwar könne die Beitragspflicht als Anreiz gesehen werden, Mitglied zu werden, um Einfluss auf die Aktivitäten der Sozialkassen zu nehmen. Dieser Anreiz sei aber zu vage, um die Vereinigungsfreiheit ihm Kern zu berühren. Die Einrichtung des Sozialfonds, in das die Beschwerdeführerin zur Einzahlung verpflichtet sei, unterliege der Aufsicht der "BaFin". Es gebe daher eine Beteiligung und Regelung durch die öffentliche Hand.


Mittwoch, 8. Juni 2016

Rentenantrag durch Betreuer

Die Verantwortung eines gerichtlich bestellten Betreuers umfasst auch die Pflicht zu rechtzeitiger Rentenantragstellung.
Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Pressemitteilung des Sozialgerichts Mainz vom 07.04.2016 hervor (Az. S 10 AS 330/14).

Die dortige Klägerin hatte seit dem 01.06.2011 die Möglichkeit, eine Altersrente zu beziehen, worauf die Rentenversicherung schriftlich hingewiesen hatte. Zu diesem Zeitpunkt litt die Frau jedoch bereits an einer wahnhaften Störung, die sie von der Stellung eines Rentenantrags abhielt.
Ende Oktober 2012 wurde für sie ein Betreuer mit umfangreichen Befugnissen bestellt. Zwar war es dem Betreuer über einen längeren Zeitraum nicht möglich, einen persönlichen Kontakt zu der Betreuten herzustellen.
Allerdings waren ihm bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Bestellung alle Umstände bekannt, aus denen sich die Rentenberechtigung der Klägerin ergab. An die umgehende Beantragung habe er einfach nicht gedacht. Der Antrag wurde letztlich im Januar 2014 gestellt und sodann ab Antragstellung auch bewilligt.

Das Sozialgericht hat nun klargestellt, dass eine Bewilligung ab dem 01.06.2011 nicht in Betracht kam.
Aufgrund seiner Befugnisse hätte der Betreuer innerhalb von drei Monaten seit Bekanntgabe seiner Bestellung der Frage der Möglichkeit einer Altersrente für seine Betreute nachgehen und diese beantragen können.
Da ihm der Beschluss im November 2012 bekanntgegeben worden sei, hätte der Antrag bis Ende Februar 2013 gestellt werden müssen.



Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht: Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich