Dieses Blog durchsuchen

Montag, 30. Januar 2017

Urlaub: keine Sanktionierung von "schwierigen" Langzeitarbeitslosen


(Angeblich) unbotmäßiges Verhalten eines Leistungsempfänger in der Vergangenheit darf nicht im Rahmen einer Urlaubsgewährung sanktioniert werden.
Diese - an sich selbstverständliche - Entscheidung hat jetzt das Sozialgericht Dortmund getroffen (Urteil vom 16.12.2016, Az. S 19 AS 3947/16).

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Jobcenter des Märkischen Kreises einem im Leistungsbezug stehenden arbeitslosen Familienvater die Zustimmung zur Ortsabwesenheit verweigert und für drei Wochen das ALG II gestrichen, da der Mann sich in der Vergangenheit angeblich nicht regelkonform verhalten habe und mit Anwalt oder Klage gedroht habe.

In diesem Zusammenhang dürfte es bereits als erschütternd anzusehen sein, dass eine Behörde in der gesetzlich vorgesehenen Wahrnehmung von Rechten, nämlich der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder der Erhebung einer Klage, regelwidriges Verhalten gesehen hat.

Jedenfalls hat das Sozialgericht Dortmund seiner hiesigen Klage stattgegeben und das Jobcenter verurteilt, das einbehaltene ALG iI nachzuzahlen.
Auch die Zustimmung zur Ortsabwesenheit sei zu erteilen gewesen. Die Erwägungen des Jobcenters seien sachfremd gewesen. 
Allein entscheidend sei gewesen, ob die berufliche Eingliederung durch die Ortsabwesenheit beeinträchtigt werde. Das sei aber nicht schon der Fall, wenn noch einzelne Bewerbungen liefen. Vorliegend sei der Leistungsempfänger aufgrund seiner Eingliederungsvereinbarung zu monatlich sechs Bewerbungen verpflichtet gewesen. Von daher drohe der Urlaubsanspruch des Mannes ins Leere zu laufen, wenn das Jobenter zwei noch offene Bewerbungen für die Annahme einer mehr als nur entfernten Möglichkeit der Eingliederung in Arbeit genügen lasse.


Ihre Ansprechpartner in allen Fragen des Sozialrechts:

Montag, 16. Januar 2017

Aktueller Pflegebericht

Gem. § 10 SGB IX hat die Bundesregierung alle vier Jahre den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland zu berichten.

In diesem Rahmen hat Bundesgesundheitsminiter Hermann Gröhe Mitte Dezember 2016 den sechsten Pflegebericht seit Einführung der Pflegeversicherung in 1995 im Kabinett vorgestellt, der sich auf die Jahre 2011 bis 2015 bezieht.

Demnach seien die Leistungen in der Pflege deutlich ausgebaut worden und heute besser an den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen orientiert.
Eine Bearbeitung von Leistungsanträgen erfolge schneller als früher, nämlich durchschnittlich innerhalb von 16 Tagen.

Durch das Erste Pflegestärkungsgesetz hätten mehr zusätzliche Betreuungskräfte eingestellt werden können, die Zahl liege in 2015 bei 48.000, wovon ca. 600.000 Pflegebedürftige profitierten.

Die Pflegedokumentation sei weniger bürokratisch und deutlich effizienter.

Die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflegeausbildung sei im Berichtszeitraum um ca. 1 % gestiegen auf einen neuen Höchststand von 68.000 Azubis im Schuljahr 2015/16.

Die Ausgaben für Leistungen seien um rund 27 % von ca. 20,9 auf ca. 26,6 Mrd. angestiegen, während in 2015 rund 17 % mehr Menschen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bezogen, nämlich zuletzt 2,7 Millionen.

Ab dem 01.01.2017 gilt schließlich ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit. 


Der vollständige Sechste Pflegebericht der Bundesregierung kann hier abgerufen werden.

Mittwoch, 11. Januar 2017

Kostenübernahme für Schulbegleiter


Wenn ein wesentlich geistig behinderten Kind aufgrund der Behinderung ohne Unterstützung durch eine Schulbegleitung die für es individuell und auf seine Fähigkeiten und Fertigkeiten abgestimmten Lerninhalte ohne zusätzliche Unterstützung nicht verarbeiten und umsetzen kann, so hat eine Kostenübernahme für die Schulbegleitung zu erfolgen.
Das hat das Bundessozialgericht entschieden (Urteil des 8. Senats vom 09.12.2016, Az. B 8 SO 815 R).

Insoweit handele es sich nicht um den Kernbereich allgemeiner Schulbildung, für den allein die Schulbehörden die Leistungszuständigkeit besitzen. Im Rahmen des Nachrangs der Sozialhilfe sei lediglich Voraussetzung, dass eine notwendige Schulbegleitung tatsächlich nicht von diesen übernommen bzw. getragen werde.

Mit seiner Entscheidung hat das BSG beide Vorinstanzen bestätigt, die den zuständigen Landkreis bereits zur Übernahme der Kosten für unterstützende Hilfen verurteilt hatten.
Klägerin war ein in 2002 geborenes Mädchen mit Down-Syndrom, das aufgrund der Behinderung an einer Sprach-, einer motorischen Entwicklungs- und einer Kommunikationsstörung sowie einer Schwäche der Feinmotorik leidet (anerkannter GdB 100, Merkzeichen "G" und "H").


Dienstag, 3. Januar 2017

Hartz IV: Eingliederungsvereinbarung und Wohnungssituation

Empfänger von SGB II-Leistungen dürfen nicht ohne Weiteres per Eingliederungsvereinbarung bzw. -Verwaltungsakt zur Wohnungssuche verpflichtet werden.
Insoweit hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg eine erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgericht Konstanz aufgehoben (Urteil vom 08.11.2016, Az. L 9 AS 4164/15).

Im zugrunde liegenden Fall lebte der Kläger seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz und nächtigte in einem Pritschenwagen. Hierfür musste das Jobcenter keine Kosten der Unterkunft zahlen (LSG Baden-Württemberg, 10.05.2016, Az. L 9 AS 5116/15).
Das Jobcenter wollte nun die Wohnsituation des Klägers ändern, da eine angemessene Wohnung Voraussetzung sei, um auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden.
Da der Kläger sich weigerte, eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung zu schließen, erließ das Jobcenter einen Eingliederungsverwaltungsakt mit dem Ziel "Wohnsituation klären". Hierzu wollte das Jobcenter unter Benennung von Ansprechpartnern Kontakt zur Stadt Radolfzell und zu Notunterkünften herstellen. Der Kläger sollte im Gegenzug aktiv nach einer Wohnung suchen und sich dazu einen Wohnberatungsschein beim Bürgerbüro besorgen.

Das LSG hat nun dem Kläger Recht gegeben.
Nach Klarstellung des LSG sind Eingliederungsvereinbarungen nach den gesetzlichen Vorgaben auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gerichtet.
Selbst wenn die Vermittlungschancen mit festem Wohnsitz wohl besser seien als bei obdachlosen Menschen, so fehle vorliegend für die Verpflichtung zur Wohnungssuche der unmittelbar arbeitsmarktbezogene Aspekt. Je weiter sich das Jobcenter bei festgelegten Vorgaben zur Eigenbemühung vom Kernbereich der Arbeitseingliederung entferne, desto mehr müsse es das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Leistungsempfängers berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall wären die Vorgaben des Jobcenters zudem zu unklar gewesen, um dem Kläger zu verdeutlichen, welche Bemühungen er konkret ergreifen sollte und wie und in welcher Häufigkeit diese zu dokumentieren waren.

Vor diesem Hintergrund war der Eingliederungsverwaltungsakt mit dem Ziel der Klärung der Wohnsituation rechtswidrig.


Auch in 2017 in sozialrechtlichen Angelegenheiten wieder an Ihrer Seite: 
Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich.