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Mittwoch, 15. Februar 2017

Jobcenter: Fahrtkostenübernahme für außergewöhnliche Fahrtkosten


Das Jobcenter muss (auch) für außergewöhnlich hohe Fahrtkosten zu einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie aufkommen.
Das hat das Sozialgericht Dresden entscheiden (Urteil vom 16.12.2016, Az. S 3 AS 5728/14).

Die dortige Klägerin bezog Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") und suchte nach dem Tod ihres Mannes zweimal wöchentlich die Praxis ihres Therapeuten auf.

Hierfür kaufte sie jeweils eine Monatskarte für 80,- €. Nach Auffassung des Sozialgerichts war damit der im Regelsatz für "Verkehr" enthaltene Betrag von 24,60 € deutlich überschritten. Für die noch zusätzlich entstehenden Kosten von nochmals 30,- € monatlich konnte sie nicht mehr selbst aufkommen. Die Krankenkasse erstattete die Fahrtkosten nicht. Damit lag ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Bedarf i. S d. § 21 Abs. 6 SGB XII vor. 
Zur Gewährleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimums musste der Gesetzgeber für einen über den typischen Bedarf hinaus gehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen. Allerdings hat sich in der Rechtsprechung noch keine einheitliche Linie zur Anwendung von § 21 SGB II herausgebildet. 

Das SG Dresden hat deshalb wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen das Urteil zum Sächsischen LSG zugelassen.


Dienstag, 14. Februar 2017

ALG II: Hundehaftpflichtversicherung


Beiträge, die für eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eines Hundes gezahlt werden, können vom Halter nicht vom Einkommen abgesetzt werden, um so höheres ergänzendes ALG II zu erhalten.
Das hat das Bundessozialgericht jetzt entschieden (Urteil vom 08.02.2017, Az. B 14 AS 10/16 R.

Die Klägerin war Eigentümerin von zwei Hunden, die "große Hunde" im Sinne des Landeshundegesetzes waren und für die nach diesem Gesetz eine Haftpflichtversicherung abzuschließen war.
Zwar handele es sich hierbei um eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung
i. S. d. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II.
Allerdings ergebe sich die fehlende Abzugsmöglichkeit der Versicherungsbeiträge aus dem Sinn und Zweck der Norm. Demnach sollen nur solche Versicherungen vom Einkommen abgesetzt werden können, die einen spezifischen Bezug zu den Zielen des SGB II aufweisen. Hierzu gehören z. B. die Gebäudebrandversicherung, weil sie dem Wohnen dient oder die KFZ-Haftplichtversicherung, weil durch ein Auto die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert wird. Ein solcher Bezug zur Existenzsicherung oder zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei bei der Tierhaltung nicht gegeben, auch wenn ein Hund für viele Menschen von großer Bedeutung sei.
Sei ein Hund aus gesundheitlichen Gründen notwendig, kommt eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse in Betracht.

Das Urteil der in der ersten Instanz (SG Gelsenkirchen) erfolgreichen Klage hatte das LSG NRW aufgehoben und die Revision zugelassen. Das BSG hat nun die Entscheidung des LSG bestätigt.


Montag, 13. Februar 2017

Assistenz-Hunde für schwerbehinderte Menschen

Der Bundesrat hat jetzt eine Entschließung zur umfassenderen Unterstützung von Manchen gefasst, die im Alltag auf die Hilfe von Assistenz-Hunden angewiesen sind.

Ziel ist es, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Krankenkassen alle Assistenz-Hunde als Hilfsmittel anerkennen und die Kosten für sie übernehmen. Bisher werden die Kosten grundsätzlich nur für Blindenhunde erstattet. Zu den Assistenz-Hunden zählen jedoch auch Epilepsie-Hunde, Diabetes-Warn-Hunde sowie Begleit-Hunde.
Das Land Niedersachsen unterstrich diese Forderung mit dem Hinweis auf die UN-Behindertenkonvention aus 2009, nach der Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Schließlich habe die Bundesregierung im nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenkovention anerkannt, dass persönliche Mobilität zentrale Voraussetzung für eine selbstbestimmte Teilhabe sei.

Insbesondere sollen die Tiere im Schwerbehinderten-Ausweis eingetragen werden und so den Zugang der behinderten Menschen zu öffentlichen Gebäuden, Lebensmittelgeschäften und Arztpraxen sicherstellen.

Die Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die dann entscheidet, ob sie das Anliegen der Länder aufgreift. Eine feste Frist hierfür gibt es jedoch leider nicht.


Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht - Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte.

Dienstag, 7. Februar 2017

Gesetzliche Unfallversicherung bei Nachbarschaftsstreit

Eine tätliche Auseinandersetzung im Zuge einer Nachbarschaftsstreitigkeit ist auch dann kein Versicherungsfall i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sich das Geschehen während einer beruflichen Tätigkeit abgespielt hat.
Das hat das LSG Baden-Württemberg entschieden (Urteil vom 15.12.2016, Az. L 6 U 3639/16).

Zwischen dem 78-jährigen Kläger und seinem Nachbarn war es nach jahrelangen Querelen zu einer Prügelei gekommen, wobei letztlich nicht aufgeklärt werden konnte, von wen diese ausgegangen war. Unstreitig war allerdings, dass der Kläger sich in diesem Zusammenhang verletzt hatte bzw. verletzt worden war.

Im Ergebnis hatte die erste Instanz die Klage abgewiesen, das LSG hat dessen Entscheidung nun bestätigt.
Demnach liegt ein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nur dann vor, wenn die berufliche Tätigkeit Ursache für einen eingetretenen Gesundheitsschaden ist. Im vorliegenden Fall wäre jedoch für die Verletzung letztlich der jahrelange Nachbarschaftsstreit ursächlich gewesen und nicht die Berufstätigkeit des Klägers.


Der Autor ist Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Strafrecht.

Donnerstag, 2. Februar 2017

Elterngeld: Berücksichtigung von Provisionen

Regelmäßig gezahlte Provisionen sind auch nach der Rechtslage ab 2015 beim Elterngeld zu berücksichtigen.
Das hat das LSG Baden-Württemberg entschieden (Urteil vom 13.12.2016, Az. L 11 EG 1557/16).

Im zugrunde liegenden Fall hatte die beklagte Elterngeldstelle bei der Elterngeldberechnung nur das Grundgehalt, nicht aber quartalsweise Provisionen in wechselnder Höhe berücksichtigt.
Diese seinen nach den Lohnsteuerrichtlichen nicht als "laufender Arbeitslohn", sondern als "sonstige Bezüge" anzusehen und damit für die Höhe des Elterngeldes unerheblich.

Die erste Instanz hatte der Klage stattgegeben, das LSG hat diese Entscheidung bestätigt.

Das LSG hat darauf hingewiesen, dass neben dem monatlichen Grundgehalt auch die regelmäßig gezahlten Provisionen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im maßgeblichen Bemessungsjahr vor der Geburt geprägt haben. Zwar stelle die Neufassung des Gesetzes zum 01.01.2015 darauf ab, dass Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind und verweise auf die entsprechenden Verwaltungsanweisungen in den Lohnsteuerrichtlichen. Nur dort, nicht aber im Elterngeldgesetz, sei parallel geändert worden, dass als "sonstige Bezüge" auch "Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge" gelten. Eine solche Verweisung auf Verwaltungsvorschriften, die jederzeit ohne Beteiligung des Gesetzgeber geändert werden könnte, sei aber nicht ausreichend, um den gesetzlichen Anspruch einzuschränken. Die Regelung in den Lohnsteuerrichtlichen über die viertel- oder halbjährlichen Zahlung passe auch nicht zum Zweck des Gesetzes, bei der Elterngeldberechcnung diejenigen Einkünfte zu berücksichtigen, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands den Lebensstandard der Elterngeldberechtigten geprägt hätten.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum BSG zugelassen.


Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht: Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte in Steinfurt.


Mittwoch, 1. Februar 2017

Cannabis auf Rezept


Zukünftig können Ärztinnen und Ärzte schwerkranken Menschen Cannabis-Arzneimittel auf Rezept verordnen. Die Kosten erstattet die gesetzliche Krankenversicherung.
Entsprechende Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes hat der Bundestag am 19.01.2017 verabschiedet, nachdem die Bundesregierung die Änderungen am 04.05.2016 angestoßen hatte.

Betroffen sind zum Beispiel Schmerzpatienten, Menschen mit Multipler Sklerose oder bestimmten psychiatrischen Erkrankungen.
Die Arzneimittel dürfen allerdings nur verordnet werden, wenn die Einnahme die Symptome oder den Krankheitsverlauf voraussichtlich verbessert. Zudem müssen sich die Betroffenen bereit erklären, an einer Begleitforschung teilzunehmen.
Der Eigenanbau, selbst zu medizinischen Zwecken, und seine Verwendung zu Rauschzwecken bleiben verboten.

Um die Abwicklung wird sich eine staatliche Cannabisagentur kümmern, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt werden soll. Das BfArM ist eine selbständige Behörde des Bundes, die zuständig ist für die Zulassung, Verbesserung der Sicherheit von Arzneimitteln, die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten sowie die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs.
Das BfArM konnte bereits in der Vergangenheit Ausnahmegenehmigungen vom allgemeinen Anbauverbot von Cannabis erteilen. Zum Stand 05.04.2016 hatten 647 Patientinnen und Patienten eine Ausnahmeerlaubnis, die allerdings nicht von allen genutzt wird. Eine Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung war bislang nicht möglich.
Derartige Ausnahmeerlaubnisse werden durch die jetzigen Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes nicht mehr erforderlich sein.
Mit der bereits oben angesprochenen Begleitforschung ist ebenfalls das BfArM beauftragt. Hierbei werden Daten in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung verarbeitet.


Stephan Störmer ist als Fachanwalt Ihr Ansprechpartner in allen Fragen des Sozialrechts und Strafrechts.